Silicon Valley Jobs
 
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Ich hatte den Gedanken schon längere Zeit mit mir herumgetragen, und irgendwann war dann seine Zeit gekommen. Ich hatte gerade meinen Job bei einem großen Online-Versandhaus mit amerikanischen Wurzeln  gekündigt, da ich dort nicht wirklich heimisch geworden war. In diesem beruflichen Vakuum hatte der Gedanke Platz, konkret zu werden: ich möchte für eine begrenzte Zeit im Ausland arbeiten. In den USA.

So weit, so gut. Die ersten Recherchen verschlugen mich auf die Seite praktikum-usa.org, die von TravelWorks betrieben wird, einem der bekanntesten Programmanbieter. Schnell wurde klar, dass ein Praktikum in den USA nicht mal von heute auf morgen aus dem Ärmel geschüttelt werden kann. Da war die Rede von DS-2019 und anderen kryptischen Formularen, die zunächst etwas abschreckend sein dürften (vielleicht ist das sogar beabsichtigt, wer weiß). Bereits an dieser Stelle sei jedoch gesagt, dass ich – bei aller Bürokratie – während des gesamten Prozess von allen beteiligten Instanzen freundlich behandelt wurde.
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Zunächst war es in meinem persönlichen Fall eine kleine Herausforderung, überhaupt die formalen Kriterien für die Beantragung eines J1-Visums zu erfüllen. Dieses Visum erlaubt Studenten und Hochschulabsolventen sowie Berufstätigen, bis zu 12 bzw. 18 Monate in den USA im Rahmen eines Intern- oder Traineeships zu arbeiten (vgl. http://www.praktikum-usa.org/usa/praktikum-usa-visum.php). Je nach derzeitigem Status (Student/Hochschulabsolvent vs. Berufstätiger) differenziert sich das weiter in die Programme PCT USA (Professional Career Training USA) und INT USA (Internship USA), nachzulesen beispielsweise auf http://www.praktikum-usa.org/usa/. Obwohl ich als Berufstätiger eher in die Kategorie PCT USA falle, hatte ich eher ein Internship im Sinn, was meinen gewünschten zeitlichen Rahmen von einigen Monaten anging.
In meinem Fall ging es um das PCT-USA-Programm, da ich bereits einige Jahre in Deutschland berufstätig war. Wie sich allerdings herausstelle, nicht lang genug: man muss entweder ein Jahr Berufserfahrung in dem Bereich, der dem absolvierten Studium entspricht, vorweisen können – oder aber fünf Jahre in einem Bereich gearbeitet haben, falls dieser keinen Bezug zum Studium hat. Auf den ersten Blick traf bei mir beides nicht zu. Ich habe Psychologie studiert, habe allerdings im Anschluss an mein Studium nicht im engeren Sinne als Psychologe, sondern im Online-Marketing gearbeitet – was eher dem Bereich BWL zugeordnet wird. Gleichzeitig hatte ich im Online-Marketing noch keine 5 Jahre in angestellter Tätigkeit vorzuweisen. Ich betone „angestellt“ an dieser Stelle, da ich bereits während meines Studiums ein selbstständiges Gewerbe (Online-Vertrieb von Mobilfunkverträgen, etc. im Rahmen von Partnerprogrammen) betrieben hatte. Zwei Geschäftskontakte aus dieser Zeit haben mir Referenzen ausgestellt, dass sie den von mir für diese Zeit angegebenen Zeitaufwand für realistisch erachten – wodurch ich schließlich auf die 5 Jahre Berufserfahrung im Bereich Online-Marketing kam. Es sei an dieser Stelle betont, dass dies im Regelfall einfach gehen sollte, wenn man sich beruflich brav in dem Feld bewegt, das man vorher studiert hat (dann ist wie gesagt nur ein Jahr Berufserfahrung notwendig). Nachdem die formalen Hürden gemeistert waren (also längere Zeit, bevor ich tatsächlich eine Praktikumsstelle in Aussicht hatte), führte CIEE, der amerikanische Partner von TravelWorks, ein Skype-Interview mit mir durch. Es ist ein klein gewöhnungsbedürftig, dies per Videochat zu machen, aber auch nicht weiter schlimm, wenn man gut Englisch spricht (was sowieso Voraussetzung sein sollte). Meine Kontaktpersonen bei CIEE waren allesamt sehr nett und hilfsbereit.

Nachdem die rein formalen Hürden aus dem Weg geschafft waren, musste ich also nun nur noch eine Stelle in den USA finden. Ohne entmutigend klingen zu wollen – „nur noch“ hört sich rückblickend für mich selbst ein wenig zynisch an. Ich muss allerdings betonen, dass es von Anfang an mein Anspruch war, ein bezahltes Praktikum zu finden. Nachdem ich nun doch schon einige Jahre gearbeitet hatte und Erfahrung vorweisen konnte, wollte ich mich nicht mehr für lau hergeben. Dies erwies sich im weiteren Verlauf als ziemlich heikler Faktor bei der Suche, da es alles andere als selbstverständlich ist, für ein Praktikum ein Gehalt zu bekommen. Um es kurz zu machen: ich musste diverse Praktikumsangebote ablehnen, weil selbst über ein geringes Gehalt partout nicht zu verhandeln war.
Über TravelWorks hatte ich auch eine Art Zusatzservice namens „TraineeSelect“ gebucht, der in einer aktiven Vermittlung von Praktikumsstellen bestehen sollte, wobei im Erfolgsfall eine Gebühr (zusätzlich zur Programmgebühr) fällig geworden wäre. Zwar wurden mir von CIEE einige Stellen vorgeschlagen, doch es wäre übertrieben, von einer aktiven Vermittlung zu sprechen. Da „TraineeSelect“ inzwischen offenbar nicht mehr existiert (zumindest ist auf der Webseite von TravelWorks nichts mehr zu finden), scheint es nicht nur bei mir kein durchschlagender Erfolg gewesen zu sein. Im weiteren Verlauf hatte ich übrigens auch noch überlegt, ein ähnliches Vermittlungsprogramm von praktika.de wahrzunehmen, das aber letztlich ausschied, da das entsprechende Praktikum mit großer Wahrscheinlichkeit unbezahlt gewesen wäre.

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Um eine Praktikumsstelle zu finden, habe ich mich zuerst auf den Seiten des Programmanbieters (http://www.praktikum-usa.org/usa/praktikumsstellen.php) umgesehen. Dort war und ist allerdings nicht besonders viel zu holen – die Auswahl  denkbar gering, die Nachfrage sehr hoch. Noch dürftiger sah es im System von CIEE (http://www.ciee.org), dem Partner von TravelWorks in den Vereinigten Staaten, aus. Dort waren zum Zeitpunkt meiner Suche weniger als zehn Praktikums- bzw. Traineeship-Stellen ausgeschrieben.
Insgesamt ist es relativ schwierig, an der richtigen Stelle zu suchen. Einerseits gibt es Seiten, die sich – wie oben beschrieben – auf US-Praktika für Nicht-Amerikaner spezialisieren. Das klingt verlockend, jedoch ist die Anzahl und Auswahl der Stellen meist sehr überschaubar, während sich gleichzeitig natürlich praktisch jeder, der über einen Arbeitsaufenthalt in den USA nachdenkt, dort seine Suche beginnt. Man muss nicht betonen, dass dort, wo alle suchen, die Chance relativ gering ist, einen Treffer zu landen.
Andersherum kann man sich natürlich auch auf Seiten umsehen, die Praktika in USA verzeichnen und sich primär an amerikanische Staatsbürger richten. Natürlich ist die Anzahl und Vielfalt der Praktika auf solchen Seiten (z.B. http://www.internships.com) erheblich höher, allerdings rechnen die Firmen dort wohl eher nicht nicht mit ausländischen Bewerbern. So muss man also davon ausgehen, dass man als Bewerber mit Visum-Hintergrund recht schnell aussortiert wird – was nicht heißt, dass sich unter den Praktikumsangeboten nicht auch Firmen befinden, die ausländischen Bewerbern durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen und vielleicht, obwohl sie eigentlich einen Amerikaner suchen, über ein Visum-Sponsoring nachdenken würden. Es ist also auf jeden Fall sinnvoll, hier ein begrenztes Maß an Zeit zu investieren.
Die dritte Variante (neben den Job-/Praktikums-Portalen, seien sie nun an Amerikaner oder Nicht-Amerikaner gerichtet) ist die Bewerbung auf den unternehmenseigenen Job-Seiten, also beispielsweise direkt bei Apple über den entsprechenden Bereich auf der Webseite (http://www.apple.com/jobs/). Obwohl ich über Kontakte verfügt habe, die meine Bewerbungen intern anschieben konnten, hat sich aus diesen Bemühungen kaum etwas ergeben. Ich denke, dass sich hier der Zeitaufwand nur dann lohnen kann, wenn die Unternehmen von vornherein ein explizites Programm für ausländische Praktikanten anbieten. Es macht somit keinen Sinn, sich auf „normale“ amerikanische Stellen zu bewerben; hier wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sofort aussortiert, weil die Unternehmen keine Ressourcen haben oder aufbringen wollen, um sich um das Visums-Sponsoring zu kümmern.
Zum Erfolg geführt hat in meinem Fall der maximal informelle Weg: der Bruder eines Freundes kannte jemanden, der im Silicon Valley in einem Start-Up namens appbackr arbeitet (richtig, es ist Philipp, der Autor dieser Seite). An dieser Stelle ist erwähnenswert, dass mit einem Start-Up vieles sehr viel einfacher gehen kann, da die Recruiting-Prozesse nicht so eingefahren sind wie in einem größeren Unternehmen. In meinem Falle hat man sich dann einfach über Telefon ein wenig besser kennengelernt, bis für beide Seiten klar war, dass das gut passen könnte. In diesem Sinne gab es auch kein Vorstellungsgespräch/-telefonat im engeren Sinne. Positiv mag sich auch ausgewirkt haben, dass das Unternehmen bereits an deutsche Mitarbeiter gewöhnt war. ;-)
Nachdem der Vertrag mit appbackr unterschrieben war, ging es weiter mit den Visums-Formalitäten. Nun war von appbackr ein umfangreicheres Formular auszufüllen (Stichwort „DS-7002), in dem alle Rahmenbedingungen des Praktikums festgehalten wurden. Außerdem musste sich appbackr, da noch ein sehr junges und kleines Unternehmen, einer Vor-Ort-Besichtigung durch CIEE unterziehen, damit sichergestellt war, dass es sich um eine solide Firma handelt.

Gleichzeitig ging es nun für mich daran, einen Termin beim US-Konsulat auszumachen. Dafür ist das sogenannte DS-2019 notwendig, das man relativ spät im Prozess von TravelWorks bzw. dem entsprechenden Programmanbieter erhält. Dieses Dokument bekommt man erst, wenn alle vorgeschalteten Formalitäten erledigt sind (DS-7002, etc.) und man die Programmgebühr (um die 1000,- Euro) an TravelWorks gezahlt hat. Hiermit kann man schließlich einen Termin beim US-Konsulat ausmachen, und nachdem man auf dessen Webseite einen weiteren sehr ergiebigen Fragebogen überstanden hat,  erhält man das Dokument DS-160. Damit hat man tatsächlich endlich alles zusammen, um beim Konsulat vorzusprechen. Dieser Termin ist dann eigentlich keine große Sache mehr. Ich hatte ein kurzes Gespräch mit einer netten Amerikanerin , die wissen wollte, warum ich das Praktikum mache und was genau mich bei appbackr erwarten würde (versteht sich von selbst, dass man beides beantworten können sollte). Auch möchte das Konsulat wohl noch einmal sichergehen, dass die Englischkenntnisse ausreichend sind. Nach diesem Termin hat es noch einige Tage gedauert, bis ich meinen Reisepass in der Post hatte – mit einem eingeklebten J1-Visum. Geschafft.

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Ende Juni ging es dann los, über London bin ich nach San Francisco geflogen. Mich erwarteten viereinhalb Monate Praktikum im Silicon Valley – wahrscheinlich kann man keine bessere Gegend finden, um für eine Weile in den USA zu arbeiten. San Francisco ist bekanntermaßen eine tolle Stadt, und das Silicon Valley ist der Nabel der Welt, wenn es um Internet und Technologie geht.
Die ersten Wochen hatte ich die Gelegenheit, in der „Black Box Mansion“ (http://www.airbnb.com/rooms/65031) in Atherton zu wohnen. Dabei handelt es um eine Art Riesen-WG, in der Unternehmer und Geschäftsleute zusammenwohnen (teils permanent, teils vorübergehend). Das Haus ist sicherlich ein idealer Einstieg, um das Flair des Silicon Valley kennenzulernen – auch wenn es am Anfang gewöhnungsbedürftig sein mag, dass in der „Black Box Mansion“ praktisch ausschließlich über Business geredet wird.
Wenige Tage nach meiner Ankunft begann dann auch schon mein Praktikum bei appbackr. Hierbei hatte ich zweifellos eine gute Wahl getroffen – ein kleines, sehr dynamisches Unternehmen im boomenden Mobile-Markt mit außerordentlich netten Mitarbeitern. Auch über das örtliche Umfeld ließ sich nicht meckern, Palo Alto kann man zweifellos als die „Hauptstadt“ (tatsächlich ist es eher ein Ort) des Silicon Valley bezeichnen. Die Stanford University, die massiven Einfluss auf die Innovationskultur in der Gegend hat, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft, und ähnlich nah sind die Zentralen von Facebook, Google, Apple, Yahoo!, etc. Beispiellos ist der unbedingte Technologie-Enthuasiasmus und die ungebremste Kreativität und Schaffensfreude der Menschen, die im Silicon Valley leben. Jeder hat zig Ideen im Kopf, die die Welt verändern sollen, und jeder sucht nach Geld, um wenigstens eine davon realisieren zu können. Bemerkenswert sind auch die zahllosen Meetups, die in so großer Anzahl und zu so vielen verschiedenen Themen stattfinden, dass für jeden etwas dabei sein sollte.
Die eigentliche Arbeit war sehr spannend und herausfordernd, da kaum etwas nach Schema F abgehandelt werden konnte, sondern permanente Kreativität gefragt war, um appbackr (in die richtige Richtung) voranzutreiben. Abseits von der klassischen Bildschirm-Arbeit war auch ‚draußen‘ allerhand los: appbackr-Events (u.a. ein „Oktoberfest“ und ein sog. App Retreat im Napa Valley), Meetups im Silicon Valley, Kunden-Meetings in Los Angeles, ein appbackr-Pitch auf einer Konferenz in San Diego, Mitglied in einer Jury zur Beurteilung von neuen App-Ideen – was will man mehr?Man sieht, der Vorbereitungsaufwand (definitiv eine Lektion in Hartnäckigkeit) hat sich ausgezahlt. Ich kann jedem, der mit dem Gedanken an ein USA-Praktikum spielt, nur empfehlen, diese Chance wahrzunehmen (bzw. sie sich zu erarbeiten). Es lohnt sich!


Torsten ist Diplom-Psychologe und arbeitet seit 2007 im Online-Marketing (2007 bis 2010: TradeDoubler; 2010: Amazon.de; 2011: appbackr). Von 2003 bis 2010 war er zudem als selbstständiger Affiliate tätig.
Links:
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